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Für viele Smart-Home-Interessierte ist es eine Hürde, sich in gleich mehrere Hersteller-Apps einarbeiten zu müssen, um neue Technik zu installieren. Der neue Smart-Home-Standard Matter erleichtert Geräteherstellern die Entwicklung von Produkten, die mit Smart-Home- und Sprachdiensten wie Alexa von Amazon, Siri von Apple, Google Assistant und anderen kompatibel sind. Die erste Spezifikationsversion des Matter-Protokolls wird auf den Netzwerkschichten Wi-Fi und Thread laufen und Bluetooth Low Energy für die Inbetriebnahme, das sogenannte Commissioning, verwenden. Geräte, die den Matter-Standard unterstützen, sind also nicht mehr nur auf die jeweilige Hersteller-App angewiesen. Sie lassen sich ohne Probleme mit einer anderen Anwendung dem Heimnetz hinzufügen, die das Commissioning für Matter beherrscht.

Produkte die Matter-fähig sind können untereinander ein eigenes Netzwerk aufbauen. Dieses Netzwerk aus Produkten ist autonom und nicht mit einer Cloud oder anderen Servern außerhalb des Hauses verbunden. Das heißt, Nutzer sind in der Lage, neue Geräte über eine „Commissioner“-App zum Netzwerk hinzuzufügen, egal von welchem Hersteller diese Produkte stammen. Solange sie mit dem Standard kompatibel sind, kann man sie integrieren und ansteuern.

Somit erleichtert der Matter-Standard die Inbetriebnahme neuer Hardware und verbessert die gemeinsame manuelle Bedienung von Geräten.

Welchen Vorteil hat das für die Hersteller?

Matter wurde von der Connectivity Standards Alliance (CSA) ins Leben gerufen. Diese ist ein Zusammenschluss von über 220 Marken, darunter Google, Apple, Microsoft, Ikea, die Legrand-Gruppe, zu der unter anderem der französische Smart-Home-Hersteller Netatmo gehört, und andere. Die Mitglieder der Alliance arbeiten seit 2019 in einem Ausschuss zusammen, um Rahmen und Funktionen von Matter zu entwickeln.

Über gemeinsame Arbeitsgruppen können Hersteller zur Bereicherung des Protokolls beitragen. Auf diese Weise fördert die Connectivity Standards Alliance (CSA) einen dynamischen Austausch an Ideen.

Derzeit arbeiten einige Arbeitsgruppen an der Definition der Standard-Kommunikationsformate für das Protokoll. Jeder „Baustein” der Standard-Matter-Sprache wird ein Cluster genannt. Ein Cluster ist eine Gruppe von Attributen und Aktionen, die für einen bestimmten Anwendungsfall möglich sind, wie z.B. Thermostat-Management, Schalter-Management, Lichtmanagement, usw. Viele Cluster sind bereits erstellt und viele weitere sind in Arbeit.

Jedes Unternehmen kann vorschlagen, eine Arbeitsgruppe zu gründen, um neue Cluster für verschiedene Anwendungsfälle zu schaffen. Ebenso kann sich jedes Unternehmen an jeder bestehenden Arbeitsgruppe beteiligen, wenn der Anwendungsfall für das jeweilige Unternehmen relevant ist.

Diese Offenheit und Vielfältigkeit von Matter sind große Vorteile. Dennoch müssen die Arbeitsgruppen auch Herausforderungen bewältigen, da das Protokoll schnell wächst und bereits jetzt sehr umfangreich ist.

Als Open-Source-Projekt ist es für alle Smart-Home-Akteure leicht, das Protokoll zu übernehmen. Best Practices können einfacher in einem großen Teil des Marktes vereinheitlicht werden.

Welche Produkte werden mit Matter funktionieren?

Das Matter-Protokoll ist so konzipiert, dass es auch mit Produkten kompatibel ist, die momentan auf dem Markt sind. Auch wenn sie aktuell andere Funktechnologien verwenden, ist es jederzeit möglich, zu Matter zu migrieren. Dies gelingt, indem man das Gateway als Brücke zwischen der Matter-Welt (IP) und anderen herstellergebundenen lokalen Funk-Protokollen verwendet. Hierbei kann jedes Matter-fähige Produkt als Gateway fungieren.

Aber auch für Neukäufe wird es Optionen geben: Erste Produkte die Matter-fähig sind wurden bereits angekündigt. Kauft man beispielsweise einen Smarten Sicherheitssensor, der mit einem Berührungssensor und einem Infrarot-Bewegungsmelder ausgestattet und mit Matter kompatibel ist, kann der an Türen und Fenstern angebrachte Sensor erkennen, wenn diese geöffnet werden. Er sendet dann eine Benachrichtigung auf das Smartphone. Durch seine Kompatibilität mit Matter, wäre es ihm möglich mit mehreren anderen vernetzten Produkten zu interagieren. So kann man in der App zum Beispiel eine Verbindung einstellen, die die Heizung startet, wenn jemand im Raum ist, oder sie ausschaltet, wenn keiner da ist. Darüber hinaus kann die kontrollierte Wohnraumlüftung oder die Beleuchtung eingeschalten werden, wenn eine Person im Raum erkannt wird.

Was Matter nicht kann

Matter befasst sich mit der Standardisierung von lokalen Interaktionen zwischen Smart-Home-Produkten. Das erleichtert die Integration von Produkten in viele Ökosysteme und gewährleistet gleichzeitig ein hohes Sicherheitsniveau für die Protokolle im physischen lokalen Netzwerk des Hauses.

Doch dies funktioniert nur lokal, denn Matter befasst sich bisher nicht mit der Fernverwaltung des Smart Home. Derzeit ist der Fernzugriff von unterwegs nicht vom Protokoll geregelt. Sollte das Produkt einen Fernzugriff benötigen, liegt dies immer noch in der Verantwortung des jeweiligen Herstellers.

Auch komplexere Automatisierungsregelungen sind noch nicht im Matter-Protokoll abbildbar. Vorerst sind nur sehr einfache Wenn-Dann-Mechaniken vorgesehen, mit denen etwa ein Sensor den Impuls an die App geben kann, Beleuchtung ein- oder auszuschalten.

Es kann bei einzelnen Produkten notwendig sein, hochwertige oder sehr fortgeschrittene Funktionen bereitzustellen, die in einem gemeinsamen Standard allerdings nicht nützlich oder sinnvoll wären, daher wird Matter Hersteller-Apps nicht vollkommen obsolet machen.

Wie geht’s jetzt weiter?

Matter ist schon seit Jahren in Arbeit. Die erste Version sollte als Connected Home over IP, kurz CHIP, Ende 2020 erscheinen, wurde aber auf das folgende Jahr verschoben, in Matter umbenannt und dann für diesen Sommer angekündigt. Nun wurde der Launch erneut in den Herbst verlegt.

Grund für die Verzögerungen: Matter ist ein Opfer des eigenen Erfolgs. Mehr Plattformen als erwartet übernehmen den Standard. Daher benötigen die Mitglieder der CSA mehr Zeit, um das Software Development Kit (SDK) fertigzustellen. Mit diesem können Gerätehersteller ihre Produkte in das Matter-Ökosystem integrieren.

Die CSA fordert auch mehr Zeit für die Zertifizierung der Produkte in der Testphase, um sicherzustellen, dass bei der Einführung des Protokolls alles einwandfrei funktioniert. 130 Geräte in 15 Kategorien von 50 Unternehmen sind Teil der ersten Einführung, die bereits den Testprozess durchlaufen. Es könnten also noch in diesem Jahr Matter-zertifizierte Produkte bei den Konsument:innen ankommen. Zu diesen Geräten gehören: intelligente Glühbirnen, Steckdosen, Schalter, smarte Schlösser, Thermostate, Jalousien, Sensoren, drahtlose Zugangspunkte und Fernsehgeräte.